© Basellandschaftliche Zeitung - 25 Januar 2003
“Tango gleich um die Ecke”
NT AREAL/ Der italienische Cantautore Mimmo Locasciulli und der amerikanische Bassist Greg Cohen spielten eine breite stilistische Palette von nostalgischen Balladen bis zu vertrackten Jazzrhythmen. Büne Huber hatte einem Gastaufritt.
Von Ruedi Ankli
BASEL. “Vir sind nicht skeptisch, wir sind nicht blau, wir sind etwas mehr, wir sind wir“. Mit diesem markanten Bekenntnis aus “Siamo noi“ eröffnete der Jazzbassist Greg Cohen und der Cantautore Mimmo Locasciulli ein langes Konzert im nt/Areal.
Es war 1986, am Festival des Club Tenco in San Remo, als der in Rom praktizierende Arzt und Cantautore den amerikanischen Bassisten kennenlernte, der damals Tom Waits begleitete. Die Bekanntschaft hatte Folgen. Bereits 1989 spielte Locasciulli auf “Adesso glielo dico“ zahlreiche Songs neu mit Cohen ein und vollzog 1991 mit dem Meisterwerk “Tango dietro l’angolo“ (Tango gleich um die Ecke) definitiv eine stilistische Wende zu urbaneren Klängen. Vorletzter Akt der Freundschaft zwischen dem New Yorker und dem Abbruzzesen war nach zalhreichen Tourneen das sechste gemeinsam eingespielte Album “Aria di famiglia“ (Hobo/RecRec), eine autobiographische Werkschau Locasciulli mit neuen un neu aufgenommenen Liedern.
Familienmelodie oder Familienluft, der Titel ist doppeldeutig. Familiär wirkte auf jeden Fall der Aufritt des interkontilentalen Duos. Die beiden Musiker bieten eine breite stilistische Palette an, die von nostalgischen Balladen bis zu vertrackten Jazzrhythmen reicht. Ironisch erzählte Locasciulli, dass ihn Cohen, der Jazzpioniere wie John Zorn und Dave Douglas begleitet, von der Romantik des Dichters Leopardi zum modernen Jazz bekehrt habe.
Als “Swing Free“ bezeichnet er dahert scherzhaft die skurrile Interpretazion von “Arte moderna“. Locasciulli liess das E-Piano, das leider den für seine Art Musik wichtigen Flügel nicht ersetzen konnte, immer öfter stehen und hängte sich die Gitarre oder das Trommelbecken um, sang solo, liess Metallschlüssel klappern und spielte Mundharmonika. Greg Cohen war dabei ein einfühlsamer Wegbereiter, zückte immer wieder den Bogen und federte die ryhthmisch queren Gitarrenklängen auf dem Kontrabass weich ab. Diese klanglich eher schrägen Momente kamen beim Publikum gut an, das den Anekdoten und scherzhaften Kommentaren Locasciullis vergnügt folgte.
Das Repertoire widerspiegelte einige wichtige Etappen der langen Karriere Locasciullis, darunter eine melancholische Reprise von “Intorno a trent’anni“ und eine schlicht begeisternde Version von “Tango dietro l’angolo“.
Das Konzert hatte einen Höhepunkt im Miteinbezug von Büne Huber, dem Säger von Patent Ochsner. Anhand einer wörtlichen Übersetzung hatte Locasciulli eine eher lyrische, persönliche Version von dessen “Hotelsong“ entworfen und mit Cohen musikalisch einstudiert.
Erstaunlich, wie gelungen er den typisch helvetischen Charakter von Hubers Song erfasst und ihn “italianisiert“ hat, ohne dessen besonderen Reiz zu verraten. Schön der Moment, als Huber sich zurückhaltend zum Duo auf die Bühne gesellte, anfänglich seinen eigenen Song auf italienisch singend, dann in Original, während Locasciulli erst zuletzt von seiner Muttersprache den Sprung in ein paar Dialektzeilen wagte. Allein dieser unvergessliche, ehrliche und ergreifende Moment war den Gang hinter die sieben Geleise des nt/Areals wert.