© Basler Zeitung, 2003-01-25;
Seite 44; Nummer
BS-Kultur
Der italienische Cantautore Mimmo Locasciulli mit Greg Cohen im nt-/Areal
Ein begnadeter Wanderer zwischen vielen Welten
Man nehme die Bluesharp von Bob Dylan, die Gitarre von
Lou Reed, den Hut von Zucchero, und den Biss
von Franceso de Gregori. Man kombiniere dreissig Jahre
Musik- mit 54 Jahren Lebenserfahrung, gebe dem
wachen Blick eine feste Stimme, mische Chanson, Jazz,
Blues, Tango und Boogie. Schliesslich
Von Alexander Marzahn
schicke man alles ins «Folkstudio» nach Rom und wieder
zurück in die Schweiz, ins nt/ Areal: Vorhang auf
für Mimmo Locasciulli, italienischer Cantaurore,
Produzent und Arrangeur, Arzt und Familienvater.
Locasciulli ist ein Wanderer zwischen vielen Welten.
Nicht nur im wahren Leben, das er zwischen
bürgerlicher Existenz und dem Nomadentum des Cantautores
führt. Auch in seinen Liedern kennt der
begnadete Song-writer keine Berührungsängste; am wenigsten,
wenn es darum geht, mit spitzer Feder
Berlusconi, soziale Ungerechtigkeit oder Tortenschlachten
im italienischen Fernsehen aufs Korn zu nehmen.
14 Alben hat er bereits veröffentlicht; das jüngste mit
Neuinterpretationen seiner besten Songs ist eben
erschienen.
Es sind Balladen von zeitloser Schönheit, in ihrer
schlichten Anlage dem amerikanischen Folk verwandter
als manch südländischem Einheitsbrei. Balladen, die dank
der sensiblen Begleitung von Greg Cohen am
Bass mehr und mehr aufblühen, an Tiefe gewinnen, bis aus
drei, vier einfachen Akkorden ein vielschichtiges
Werk voller Abgründe geworden ist: Kein Zweifel, das
kongeniale Duo beherrscht die grosse Kunst, ein
musikalisches Bouquet plötzlicher Stimmungswechsel,
kleiner Einfälle und feiner Anspielungen zu entfalten,
ohne den Liedern ihre schlichte Eleganz und ihre
konzentrierte Ernsthaftigkeit zu nehmen.
Das Konzert beginnt spät, nach 22.30 Uhr einigt man sich
auf Umgangssprache Italienisch, und auch das
Publikum - das nt/Areal ist nicht der ideale Ort -
trudelt langsam ein. Nach unverfänglichem Beginn dann
unversehens ein Ausflug, nein Ausbruch ins
Experimentierfeld des Jazz; doch nur ganz kurz. Der Abend lebt
von ruhigen, nachdenklichen, aber auch heiteren oder
engagierten Tönen.
Locasciulli wechselt zwischen Piano und Gitarre, zwei
Stücke singt er allein zum swingenden Tieftonteppich
von Greg Cohen. Der sensible Sound des im Hintergrund
agierenden Bassisten von Tom Waits, mit dem
Locasciulli seit 1986 zusammenarbeitet, ist allein das
Eintrittsgeld wert. Mit ihm nahm der vielseitige Italiener
seine drei facettenreichsten Alben auf.
Des Meisters Kapital sind Wort und Stimme: leicht
angerauht, gleichwohl von einer warmen Bestimmtheit,
entfaltet sie sich im familiären Ambiente des nt-/Arelas aufs
Trefflichste. Eine Stimme, die weniger den
Whiskey eines Tom Waits, vielmehr das tiefdunkle Timbre
eines würdigen Rotweins atmet, nicht allzu
schwer, aber mit einer verläss-lichen Tiefe, die auch der
beste Single Malt kaum je erreicht.
Das Publikum nimmt das fast zweistündige, intensive
Konzert begeistert auf. Und selbst die wenigen, die nur
wegen des angekündigten Büne Huber kamen, haben es nicht
bereut. Auch wenn der Berner den grossen
Cantautore im «Hotel Song» als zweite Stimme nur und in
aller Bescheidenheit begleitete.
Schlichte Lieder von grosser Eleganz und ergreifender
Ernsthaftigkeit. Der italienische Cantautore Mimmo
Locasciulli und Bassist Greg Cohen (Tom Waits) weilten am
Donnerstag im nt-/Areal. Stargast Büne Huber
kam nur zu einem Kurzeinsatz.
Foto Tino Briner