Basellandndschaftliche Zeitung, Dienstag 10. Februar 2004

 

Neue Würde für das Autorenlied

 

CANTAUTORE/ Mimmo Locasciulli geht mit seinen neuen Liedern gegen die Hektik, den nervösen Rhythmus unseres Alltags an. Der Cantautore gibt am Donnerstag im Sudhaus des alten Warteck ein Konzert.

 

Von Ruedi Ankli

 

BASEL. Seit über 30 Jahren geht der in Rom lebende Cantautore Mimmo Locasciulli eigene Wege, unbeirrt von Moden und Trends. 1989 begann seine Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Jazzbassisten Greg Cohen (Begleiter von Tom Waits, regelmässiger Partner von John Zorn und Dave Douglas). Das eben erschienene Album "Piano piano" (recrec) ist das Album des Abbruzzesen, das am radikalsten auf der Suche nach der Intimität des Autorenliedes ist. Am Donnerstag wird  Locasciulli im Sudhaus  im alten Warteck auftreten.

 

BZ: Das neue Album "Piano piano" (Hobo/recrec)  weist in eine ganz andere Richtung als die rhythmisch vertrackten, bisweilen rockigen Alben wie „Adesso glielo dico“ oder auch "Aria di famiglia"

M.L.: Ja, "sachte, sachte", wie es der Titel schon andeutet. Ich wollte ein Album machen, das mit den nervösen Rhythmen, die uns dominieren, bricht, das "slow" ist. Die Texte sind lyrisch, und der Sound dominiert vom Piano. Ich wollte bewusst ein "antikes" Album machen, um damit die Distanz, zur konfusen Hektik unserer Zeit zu markieren.

 

Der Einstieg mit "Un po‘ di tempo ancora" ist eine Einladung an einen imaginären Dialogpartner, sich dieser Hektik zu entziehen. Wie soll man das Motto der CD verstehen, dass noch Zeit vorhanden sei?

Man kann sich im Leben verstecken oder die Flucht ergreifen. Ich lade meinen Zuhörer ein, an meiner Vorstellung von Zeit und meinen langsamen Rhythmen teilzuhaben, sich mit mir zu treffen.

 

Am liebsten in kleinen Säälen, oder?

Genau. Das schätze ich besonders in der Schweiz, wo ich immer wieder auf kleinen Bühnen auftrete, wo auch der Kontakt zum Publikum eng ist. In einer Halle oder auch im Fernsehen würden meine Lieder wohl nur untergehen.

 

Wie wichtig ist der Beitrag von Greg Cohen beim neuen Projekt?

Unsere Zusammenarbeit dauert nun über fünfzehn Jahre, und Greg war bei der Gestaltung des neuen Albums für das künstlerische Klangkonzept ein unentbehrlicher Partner. Seine einfühlsame Art geht weit über die Begleitung am Kontrabass hinaus. Er war mein Alter Ego für das Konzept und bei der Entstehung dieser CD.

 

Ihr versteht euch so ausgezeichnet, dass man bei gewissen Liedern von „Piano piano“ Cohens Beitrag wie eine unsichtbare, aber unentbehrliche Säule wahrnimmt. Ist diese spärliche Instrumentierung, und damit ein gewisser Hang zum schlichten, puren Klang hin bewusst gewählt?

Ja bestimmt. Ich habe nur wenige Begleitinstrumente mit einbezogen, ein Cello, ein Saxophon, ein Flügelhorn. Ich wollte bewusst eine Reduktion auf das Wesentliche. Im Lied, "Lettere dalla riserva", versuche ich das zu verdeutlichen, indem ich jemand, der falschen Werten im Leben nacheifert, einlade, in mein "Reservat des lyrischen Autorenlieds" zu kommen, fernab vom Pop- und Rock-Zirkus und der nervösen Umgebung von Radio- oder TV-Stationen, wo ein solches Konzeptlied untergehen würde.

 

Neben den meditativen, stimmungsvollen Bildern fallen mir zwei Lieder auf, die Sie nicht alleine geschrieben haben.

Daran sind die beiden letzten Neujahrstagen schuld. Am vorletzten habe ich mit Francesco De Gregori und Enrico Ruggeri das Lied "Olio sull’acqua" geschrieben, tatsächlich ein sechshändig komponiertes Lied. "Randagio" entstand erst an diesem Neujahrstag mit Ruggeri. Es unterstreicht meine Vorliebe für eine gewisse Distanz in der Betrachtung.

 

Da steckt also die Absicht dahinter, dem Autorenlied eine Richtung zu weisen.

Ja, denn ich möchte ihm zu neuer Würde verhelfen, mit mehr Ernsthaftigkeit, Nachdenklichkeit und Texten, die sich nicht sogleich offenbaren. Ich habe sie bewusst zum Teil kryptisch gehalten, um den Zuhörer herauszufordern.

 

Der Titelsong, "Piano piano" blickt fröhlich zurück. Ist es ein Pendant zu Ihrem früheren Hit "Intorno a trent’anni" aus anderer Perspektive?

Damals war ich noch im Banne einer gewissen jugendlichen Unruhe. Im Schnellzug, der das Cover des Albums ziert, würde man nicht viel von der Reise sehen. Heute bin ich für den Bummlerzug. Das Piano erlaubt, wie ein solcher, "sachte sachte" vorzugehen, um sich seine eigene Welt zu schaffen.